Thronrede 2013
Dentler-Preis an Monika Gschneidner, Botanischer Garten
Willst du nicht auch König sein? – oder du Königin? Ist der neben dir vielleicht schon ein König? Und wenn ja, warum? – Weil er kein Schaf ist.
Liebe Mitbürger,
wisst ihr, was einen König auszeichnet? – Ein König ist jeder, der etwas aus eigener Kraft geschaffen hat. Ein König ist auch jeder, der seine Ideale lebt und sich nicht als Lakai den inhaltsleeren Regeln anderer unterwirft. Einer, der die Augen aufmacht, der sein Hirn zum denken benutzt, der handelt, wenn es nach seinen Maßstäben notwendig ist.
Kommen wir zu der Definition von Schafen: Nein, erst noch möchte ich euch um etwas bitten: sagt mal alle „Mäh!“ seht ihr! Ein Schaf macht, was man ihm sagt, ohne es zu hinterfragen.
Wie das hier auf dem Platz vor dem Thron ist, ist das eine, aber um uns rum, das garantier ich euch, sind unzählige Schafe unterwegs! Sie trotten hohlen Worthülsen hinterher, sortieren sich brav in Vereinen, überlassen das mühselige Denken und Hinterfragen anderen.
Deutschland, liebe Adepten, ist das Land der Vereine. Die Deutschen pfeifen dadurch auf ihre persönliche Freiheit! Aber was zu viel ist, ist zu viel! Sie sind Mitglied in nicht nur einem verein, sondern gleich in mehreren. Sie sind im Verein gegen Stress, im Verein gegen unterdrückte Lebensfreude, im Verein für etwas und im Verein gegen etwas.
Wie im Großen, so auch im Kleinen: in Ulm formiert sich die eine Herde gegen Lärm. Kaum drauf läuft eine andere Herde dafür auf und ab.
Keine Frage, dass niveaulose Sauferei mit den hörbaren Ausmaßen Mist ist. Keine Frage auch, dass es in einer pulsierenden Stadt Toleranz braucht. Aber weshalb muss man jeweils nach blinden Regelkorsetten dafür oder dagegen sein? Könnten nicht einfach alle den ihnen angeborenen Kopf benutzen und von Fall zu Fall entscheiden?
Wer in der Stadt lebt, liebt die Möglichkeiten, die es direkt vor der eigenen Haustür gibt. Da ist was los, da ist Leben – und das macht Geräusche. Die, die sich heute beklagen, saßen vermutlich vor 30 Jahren mit im Biergarten. Und die, die hiergezogen sind, wollten doch der gähnenden Langeweile ihrer Dörfer entkommen. Liebe Adepten, lasst uns niveaulosen Krach freundlich von Fall zu Fall klären.
Ulm ist doch ohnehin so wenig bunt und büßt immer mehr alternative Oasen ein.
Das Dichterviertel hinter den Gleisen soll nun auch luxussaniert werden, vertrieben sind bald die dort lebenden Geringverdiender und jene, die einen Lebensentwurf entgegen der schwäbischen Einheitsschablone leben. Unter uns „Querköpfen“ ist so mancher stockkonservativer Pseudo-Hippie, Hülsen-Prediger, Regie-Harlekin und Wortwiederkäuer. Aber sie machen unser Leben bunt.
Lasst uns auf die wenigen kreativen Herbergen Acht geben, lasst uns die alternativen Oasen schützen, sie nicht von hohen Mieten und stumpfen Regulierungen zerstören. Dann gibt es Hoffnung, dass die wahren, ungeschminkten Querköpfe in Ulm bleiben und neue Kreative angezogen werden, die neue Farbe bringen.
Es gibt hier immer Leute, die wirklich viel auf die Beine stellen. Das muss nicht nur gelobt, sondern auch ausgezeichnet werden:
Den Dentler-Preis, der immer an Menschen geht, die etwas Großes für die Gemeinschaft leisten, überreicht traditionell die Frau des Königs, meine Mutter Gisela.
Verleihung Dentler-Preis 2013
Es ist erstaunlich: Wann immer in Ulm die Sprache auf Dr. Hans-Walter Roth kommt, gibt es die vielfältigsten Aussagen:
…ach ja, den kenn ich als Büttenredner. Großartig ist der!
…Ist das nicht der Augenarzt mit der Brillenaktion?
…ein sehr geschätzter Kollege, sein Wissen ist enorm.
…aaah dieser Querdenker bei der CDU?
…ja klar. Toller Typ. Feuerwehrarzt.
…der mit der Fliege?
…da war doch was mit der Armenklinik in Ulm. Hab ich in der TAZ gelesen.
…der Kontaktlinsenspezialist? Dem hab ich viel zu verdanken.
…wie war das noch mit den Kelten am Tegernsee?
…ich habs. Die Wiblinger Fechter.
…der hilft wenn Not am Mann ist.
Amtlich liest sich das so:
Dr. med. Hans-Walter Roth ist Augenarzt
Stadtrat in Ulm
stellvertretender CDU Fraktionsvorsitzender
Feuerwehrarzt
Träger diverser internationaler Wissenschaftspreise
Der Halberg Medaille
Vorsitzender des Redaktionsbeirats bei „Der Augenspiegel“
Gründer einer Armenklinik in Ulm
…und vieles mehr.
Ein langes Menschenleben sozusagen. Mit vielen Visionen die noch gelebt werden müssen.
Wir brauchen sie so dringend die Visionäre in unserer Stadt. Die wunderbaren Käuze und Eulen – Vögel der Weisheit, die vielleicht äußerlich wie Narren wirken, uns Mitmenschen an Geisteskraft Durchblick und Witz jedoch oft überlegen sind. Die bildliche Redewendungen wörtlich nehmen, um die Missstände unserer Zeit aufzudecken.
Zitat Dr. Roth: „Straßenstrich in Wiblingen lässt zu wünschen übrig.“ Daraufhin wurde eine längst überfällige Gefahrenstelle auf der Wiblinger Straße endlich durch eine Mittellinie entschärft. Roth: „Ich warte immer noch auf ein Dankesschreiben vom Alten Herzog“.
Der Sarottimohr auf dem Münsterplatz wurde von seinem angestammten Platz entfernt. Sarotti war eine Traditionsfirma in Ulm. Die Besitzerin bat Dr. Roth um Hilfe. Darauf folgte ein Dringlichkeitsantrag beim Gemeinderat. Zitat Dr.Roth: „Ein Schwarzer wurde vom Münsterplatz gewiesen“. Jetzt steht der Mohr wieder dort.
Aus dem Gemeinderat geplaudert: Zitat Dr. Roth:
…“und wenn sich dann alle wieder vertragen weil die Presse weg ist…“
Oder: Stadtrat kämpft gegen die Hundesteuer. Zitat Dr. Roth: „das war meine größte Niederlage in Ulm, jedoch meine größte Publicity in hunderten Zeitungen“
Meine allergrößte Ehrerbietung Dr. Roth. Missstände und Ungereimtheiten in unserer Stadt decken Sie auf und dann gelingt es Ihnen meistens sie mit Ihrem Humor abzuschaffen. Sie sind für uns Ulmer Bürger notwendig und unersetzlich.
Und wenn sich dann Mitmenschen wie die Schwestern Mall an Sie wenden, weil niemand ihr Anliegen ernst nahm, weil sie ziemlich hilflos ihre Sache öffentlich machen wollten – dann können diese Bürger sicher sein, bei Ihnen Unterstützung zu finden.
Wer und was waren denn die Geschwister Mall?
Die Frauen haben durch Zufall entdeckt, dass die Magirusvilla am Galgenberg abgerissen werden soll.
Um das zu verhindern haben sie sich an unseren Gemeinderat und den Oberbürgermeister gewandt.
Von dort kam keinerlei Hilfe.
Wie bei vielen anderen Hilfsappellen auch waren Sie Dr. Roth der erste Ansprechpartner
Der sich sofort für diese Aktion einsetzte.
Was als kleine Initiative begann wurde dann überregional diskutiert und kommentiert.
Diese mutige Bürgerinitiative einzelner Ulmer konnte nur durch Unterstützung auf höherer Ebene Gehör finden.
Wir brauchen dringend Ermutigung und Unterstützung all jener Mitbürger die mit offenen Augen und Ohren Ungereimtheiten in ihrer Umgebung bemerken und vereiteln wollen.
Das ist dann wie ein Stein der ins Rollen gebracht wird – der auch den vielen anderen Menschen Kraft gibt, ihr Anliegen, ihre Erkenntnis öffentlich zu machen. Damit sind nicht Leserbriefe und Kummerkästen gemeint, sondern ein echtes Einbringen in die Belange unserer Stadt.
Es ist nun schon einige Jahre her, dass mein Mann Rudolf Dentler, König von Ulm, täglich und allabendlich auf seinem Thron hier in der Werkstatt werkelte. Ideen gingen ihm nie aus. Ein Zukunftsdenker und Philosoph war er, eine schillernde Persönlichkeit, immer gut für neue Ideen, offen für alles Soziale. Kein Wunder dass Sie viele Stunden bei ihm verbrachten. Wir sind sicher, dieser Preis wäre – hätte Rudolf Dentler nicht schon seine Reise zu den Tänzerinnen im Himmel angetreten- von ihm überreicht worden. Er war auch einer dieser Kanarienvögel unter all den grauen Spatzen die unsere Stadt bevölkern. Empfangen Sie hiermit also den Dentlerring mit goldenem Kreuz, den Sie stellvertretend für alle Menschen erhalten die sich um die Kultur in nicht berechnender Weise verdient gemacht haben.
Antwort Dr. Roth:
Verehrte Gäste, ich bitte Sie noch mal um Aufmerksamkeit. Sie wissen sicher alle: Ohne die Frau an ihrer Seite könnten auch die begnadetsten Käuze, Lebenskünstler und Vorwärtsdenker ihren Weg nicht gehen. Es freut uns diesmal ganz besonders, dass Frau Roth, Katharina von Groß-Tudor heute bei uns ist. Sie feiert heute ihren Geburtstag bei uns. Herzlichen Glückwunsch von mir und uns allen.
Geburtstagslied
Wer König sein will, muss auch Verantwortung tragen und nicht in halb desinteressierter, halb feiger Manier warten, bis ein anderer handelt. Als letzte Woche in der Goldschiede eingebrochen wurde, war kein König in der Nähe. Klirrende Glasscheiben und dunkle Schatten haben die Diebe verraten, aber aufgehalten hat sie niemand, da diese Art von nächtlichem Lärm im Fischerviertel Alltag ist. Auch die Polizei hat keiner gerufen.
Der Schaden ist groß, aber was hilft‘s?! Das Leben geht weiter. Was einmal ein König geschaffen hat, kann eine Prinzessin und ihre Mutter ein zweites Mal wieder aufbauen.
Was ich euch dann aber doch mitgeben will, ist: macht die Augen auf! Schaut nicht immer nur auf das, was nur euch tangiert, sondern auch auf das, was unser Miteinander betrifft! Achtet auch auf das, was das Große und Ganze beeinflusst. An der richtigen Stelle eingreifen, an der richtigen Stelle großmütig sein. So manchem, der nicht die Kraft hat, nach einem Verlust weiterzulaufen, einfach Zuhören. Oft hilft schon ein verständnisvolles Wort. Lasst uns egoistischen Luxus überdenken: mit dem Auto in die Stadt fahren – muss das sein? Nehmen sie sich ein Beispiel an Herrn Roth, der wie mein Vater früher immer mit dem Fahrrad unterwegs ist. Ein heißes Vollbad, die günstigen Kleidchen, der billige Kaffee – was ist der Preis, den andere dafür zahlen? Überlegt, bevor ihr kauft. Überlegt bevor ihr handelt. Überlegt, bevor ihr für oder gegen etwas seid.
Überlegt, ob ihr jetzt wirklich alle „mäh“ sagen wollt.
Ein Hoch auf den Mann, der die Selbstkrönung erfunden hat. Rudi Rex Dentler, der erste König von Ulm. Ich wünsche euch, dass ihr seinem Vorbild folgen könnt. Verwirklicht eure Träume, lebt eure Ideale und schaltet euer Hirn ein!
Vielen Dank an die Band AL JOVO & LEA, an den Techniker Charli Rehm und an meine Leiterhalter.
Bis zum nächsten Jahr.
Ira Dentler
Musik: AL JOVO & LEA
24.07.2013 | Augsburger Allgemeine | Dagmar Hub
Lieber König als Schaf
Ulm Von Schafen und von Königen erzählte Ira Dentler, Tochter des 2006 verstorbenen Schmuckphilosophen und „Königs von Ulm“, Rex Rudolphus des Letzten, in ihrer alternativen Schwörrede auf dem Thron ihres Vaters an der Goldschmiede im Fischerviertel – und erreichte dabei, dass die Menschenmenge unter ihr aufgefordert „määäh!“ machte.