Thronrede 2018

Dentler-Preis an den Dreikönigsbäcker Franz Mayer

Verehrte liebe Gäste,
wo sind sie nur alle geblieben, die vielen kleinen Bäckereien in Ulm?
Über hundert waren es nach dem Krieg.
Das muss man sich einmal vorstellen:
Hundert Bäckereien nur in Ulm – wie muss das frühmorgens schon geduftet haben nach frisch gebackenem Brot, knusprigen Brötchen, leckeren Brezeln – frisch aus der Lauge. Nach Genetztem und nach Seelen.
Hundert Bäckereien beginnen nachts um 1.00 Uhr ihr Handwerk und das rund um die Woche. Da war ja schon Leben nachts in der Stadt.
Ich stelle mir das so vor:

Bäcker, Gesellen, Lehrlingen – frühmorgens unterwegs zur Arbeitsstelle. Man grüßt sich und kennt sich, hält ein kurzes Schwätzchen, verabredet sich zum nächsten Frühschoppen…

Vielleicht war alles auch ganz anders, aber bestimmt nicht so wie heute.

Gottseidank duftet es auch heute noch an verschiedenen Stellen unserer Stadt nach Frischgebackenem — an etwa 4 Stellen in ganz Ulm.

Die Bäcker haben nächtens einen einsamen Weg. Das städtische Leben spielt sich über Tag und abends ab. Kein Wunder sind Auszubildende und Mitarbeiter schwer zu finden.

Dabei ist Brot und die Ehrfurcht vor Brot in unserem Leben fest verankert. Das fängt schon damit an, dass fast alle Kinder die Passage aus dem Vaterunser kennen: unser täglich Brot gib uns heute….. und oft genug landet das Schulbrot dann….na ja, da gibt es viele Möglichkeiten.

Und Gottseidank gibt es dann ja einen Bäcker der frische Brezeln in die Schule liefert. So einen Bäcker möchte ich Ihnen heute vorstellen.
Es ist die Dreikönigsbäckerei Franz Mayer in der Hasslerstraße.
Gegründet vom Vater im Jahr 1950
1950! Da war ich gerade mal 8 Jahre alt. „Kind, Brot wirft man nicht weg“ – ich höre es heute noch.
5 Jahre später gründeten Vater und Sohn Eiselen das Brotmuseum auf dem Galgenberg.

Da war viel los in der Hasslerstraße und beim Dreikönigsbäck. Busse voller Besucher des Museums machten damals stopp bei ihm. Und immer wieder wurde er gefragt „Warum gerade die Drei Könige?“
Fragen Sie doch Herrn Mayer nachher selbst. Er kann ihnen sicher noch viel mehr erzählen. Zum Beispiel die Geschichte vom alten Backofen damals in der Wilhelmsburg.

Ich kann ihnen nur erzählen, was für ein Glück es für das Wohngebiet ist, eine alte ortsansässige kleine rührige Bäckerei zu haben.
Die gerne auch noch Überstunden macht wenn Sonderwünsche eingehen. Eine Bäckerei die morgens schon ab 3.00 Uhr für Nachtschwärmer offen ist.

-Eine Bäckerei die liebevoll das Stück legendäre Eistorte für einen Kunden mit einer dicken Schicht Zeitungspapier einpackt. Damit nur ja nichts schmilzt.
Einer Eistorte übrigens welche eine Kreation des Sohns ist. Er ist ausgebildeter Konditor, Einzelhandelskaufmann und Bäckermeister. Alle Achtung – und extra Applaus!

-Eine Bäckersfamilie also, die ihren Beruf mit Freude ausübt, obwohl die Arbeitswoche Sonntagnacht beginnt und Samstag am Nachmittag endet.
Ein Treffpunkt für die unterschiedlichsten Bewohner der Umgebung. Man kennt sich, man schwatzt, es gibt ein Tässchen Filterkaffee. Ganz zeitgemäß. Filterkaffee ist der neueste Trend.
Man dräng sich ein wenig im kleinen Raum vor dem Tresen und hält sich gegenseitig die Türe auf während Frau Mayer nach irgendwo ganz hinten im Durchgang zur Backstube verschwindet.
Sie hat mich natürlich schon gesichtet und weiss das ich die Brezeln lieben ohne Salz möchte – die liegen eben hinten.
Ich könnte noch viel mehr erzählen. Aber Sie alle haben ja auch so kleine Anekdoten über Ihren Lieblingsbäcker, seine ganz speziellen Kreationen mit dem unnachahmlichen Geschmack nach irgendwas persönlichem… Kindheit… Urlaub… Großeltern…
Meine Lieblingsbäckerei – was Brezeln betrifft – ist die Dreikönigsbäckerei.
Und da bin ich bei weitem nicht die Einzige.
Freunde von uns aus Köln machen auf der Durchreise jedes mal Stopp wegen seinen legendären Brezeln.

Herr Mayer, Ihnen möchten wir gerne den Dentler-Preis 2018, den Ehrenring mit goldenem Kreuz überreichen.
Sie bekommen diesen Ring stellvertretend für all die kleinen authentischen Bäckereien, ohne die unsere Stadt ein Stück ihrer Identität verlieren würde.

Gisela Dentler

20.07.2018 | Südwest Presse | Beate Rose

Dentlers Thronrede nicht mehr am Schwörmontag

Der verstorbene Goldschmied Rudolf Dentler hatte zu Lebzeiten bereits Ende der 1980er Jahre begonnen, aus seiner damaligen Wohnung über der Dentler-Goldschmiede an Schwörmontag seine Weisheiten zu verbreiten. Daraus entstanden sind die Thronreden, für die er immer an Schwörmontag auf jenen Thron stieg, der in fünf Metern Höhe an der Goldschmiede befestigt ist.