Dentler-Preis an Ute Brischar von der Kulturenküche Ulm

Freunde Der Weisheit,

wir haben uns immer für Egoisten gehalten, die nur ihren eigenen Nutzen im Kopf haben. Dabei gibt es längst ein neues menschliches Wesen, das die Bühne der Weltgeschichte betreten hat.

Dieses Wesen heisst, Homo Empahtikus! Wehe dem, der sich heute nicht in andere einfühlen kann. Die Empathie gilt als Schlüssel zum Erfolg, und damit stecken wir dann auch schon mittendrin im Schlamassel.
Kann man mit diesem Wort etwas anfangen, oder ist es völlig verhunzt. Das ist auch die Frage an euch heute Abend. Ist unsere Kultur empathieorientiert? Was versteht man unter Empathie?
Wer hat eigentlich, wenn es um moralische Entscheidungen geht, den Hut auf? Das Mitgefühl, oder die Vernunft?

Empathie ist ein zentraler Teil menschlicher Beziehungskunst. Sie gehört zu unserer genetischen Ausstattung, ist also ein naturgegebenes Geschenk. Ohne Empathie gäbe es kein Verständnis, keine Solidarität, keine Hilfsbereitschaft, keine Nähe zwischen Menschen. Unser Einfühlungsvermögen befähigt uns, am Leben anderer teilzuhaben, uns zu entwickeln und im Austausch mit anderen über uns selbst hinauszuwachsen und damit ist nicht die Empathie als Schlüssel zum eigenen Erfolg gemeint.

Da fällt mir spontan die Hilfsaktion für die überschwemmten Länder Bosnien und Serbien ein.

Die zuletzt in den Ehinger Anlagen wohnende Mutter mit Ihren Söhnen, welche von Nachbarn Essen und Decken bekommen haben. Oder gar die Mundpropaganda, die uns auf das Elend der syrischen Flüchtlinge aufmerksam gemacht haben. Die emphatische Teilname am leid eines Anderen kann man nicht aufzählen.

Viele Menschen habe ich am Donaufest getroffen, die bei Wind und Wetter zu den Ständen gegangen sind um die Aussteller zu unterstützen.

Und trotz dem Wetter, wurde gelacht und mitgefeiert. Neben mir saßen Familien aus Ungarn und Rumänien, es waren Alte und Junge mit am Tisch und endlich hat sich das Publikum hier in Ulm mal gemischt. Und das wichtigste: nirgendwo hab ich gehört „hier ist scho besetzt“, es wurde zusammen gerutscht, angestossen und mit Hand und Fuss geredet bis tief in die Nacht.

Selbstsucht war gestern. Wenn wir das nächste Mal genervt an der Kasse stehen, weil es nicht weiter geht, sollten wir mal ein nettes Wort an die Kassendame richten oder bei den Einkäufen ein klein wenig privat werden oder den Busfahrer der grummelig vor sich hin starrt weil er vielleicht sorgen hat, einfach mal freundlich anschauen. Erzählt doch einmal nicht von euch selbst, sondern hört nur zu. Ihr werdet nicht glauben, wie viel Magie Zuhören, Empathie und ein ehrlich gemeintes Lächeln verbreiten.

Das Lächeln eines Fremden versetzt uns spontan in gute Laune. Wir spüren intuitiv, wenn sich hinter einer aufgesetzten Freundlichkeit ein ganz anderes Gefühl verbirgt.
Mehr ehrliche Empathie wünsche ich mir auch von unserem Intendanten und dem Ulmer Gemeinderat.

Nun gebe ich weiter an meine Mutter Gisela Dentler. Sie überreicht den diesjährigen Dentlerpreis.

Verleihung Dentler-Preis 2014

sollten Sie auch das Ulmer Münster ins Herz geschlossen haben, so gibt es eine gute Nachricht für Sie: Im Hallelujah-Kämmerle gibt es jetzt endlich Steckdosen für die Putzwagen. „Für wen ist das denn wichtig“? fragen Sie sich jetzt. Na ja, für die guten Geister eben, die Helfer die alles so machen was man halt so tut. Die der liebe Gott immer dahin schickt wo man Hilfe braucht.
Haben Sie sich schon einmal gefragt wer da immer die Böbbele aus dem Sand am Kerzenständer klaubt? Und dabei entdeckt dass es lauter kleine Kunstwerke gibt? (Einige von diesen Sandskulpturen können Sie in unserem Schaufenster bewundern.)
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht wer die über 300 Decken im Münster sorgfältig zusammenfaltet und gegebenenfalls auch reinigt?
Ist Ihnen schon aufgefallen dass die Gebetszettel immer ordentlich und lesbar aufgehängt sind?
Haben Sie sich schon mal gewundert dass vor den Portalen des Ulmer Münsters nie Spuren von nächtlichen Festgelagen zu sehen sind? Schaut mal am Samstag oder Sonntag vorbei:
Das Hauptportal reinigt Ruth, das Brautportal wird von Zwillingsschwester Eva übernommen.
Sind Ihnen die Steinmetze schon mal über den Weg gelaufen?
Stets adrett gekleidet?
Wer da wohl hilfreich mit Nadel und Zwirn zur Stelle war wenn Knöpfe lose, Reißverschlüsse kaputt und Nähte aufgerissen waren?

Es gibt in unserer Stadt viele gute Geister-Mitbürger und Bürgerinnen eben-die ihr Herz auf dem rechten Fleck haben und mit viel Liebe und Begeisterung ohne zu murren zur Stelle sind wenn es not tut.
Aber es gibt nur eine Spülkönigin die ab Januar in der Vesperkirche ihrem Fulltimejob nachgeht. Und das seit 19 Jahren.
Soviel ich weiß gibt es in Ulm auch nur eine, die auf dem Weg vom Ulmer Münster zum Betreuungsdienst im Dreifaltigkeitshof unserem Oberbürgermeister mit offenen Armen entgegenläuft und ihm einen Kuss verpasst.(anschließend erholt sie sich davon bei Samy Wiltschek in der Buchhandlung) Soviel ich weiß hat noch niemand ausser ihr 700 Paar Kuschelsocken verteilt, selbst gehäkelt, mit extra Rand damit sie nicht runterrutschen. Sie heißen bei uns allen „die Höhnchen.“

Hiermit stelle ich Ihnen also unsere diesjährige Preisträgerin vor. Es ist Ruth Höhn, in Ulm bekannt als Ruthle.
Liebe Ruth, mit uns freut sich halb Ulm daß Du hier geehrt wirst.
Aber jetzt erst ein paar Daten über Dich:

Daß Du 6 Jahre älter bist als ich das macht mich ganz neidisch-so wie Du aussiehst und rumwuselst. – Du bist Ulmerin durch und durch, bist hier in die Wagnerschule gegangen und danach in die Frauenarbeitsschule. Kein Wunder kannst Du mit Nadel und Faden so gut umgehen Kummerbänder für die feinen Herrschaften nähen und Socken nach Maß häkeln.
Als Du 20 Jahre alt warst hast Du für die nächsten 13 Jahre in der Diätküche in der Schaffnerstraße rundum nach dem Rechten geschaut.- Logisch daß Du die Vesperkirche fest in der Hand hast.
Als Du Deinen Mann mit 3 Kindern geheiratet hast und noch eine gemeinsame Tochter bekamst warst Du erstmal Hausfrau.Voll und ganz. Kitas gab es damals noch nicht.
Als vor 19 Jahren die Kinder groß waren und Dein Mann starb hast Du Dir halt ein neues Geschäft gesucht. Was für ein Glück für uns alle.
Wo wuselst Du denn überall rum?
Was sagst Du ?:
„Zum Münsterjob bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind“ Ah ja. Dann sortierst Du noch die Blättle für die Lukas- und Paulusgemeinde.
So an die 3000 Stück. Und das in Teamarbeit wohlgemerkt, was Dir als Einzelgängerin sicher schwer fällt.
Wie viele Alte und Hilfsbedürftige Du betreust mit ganz wichtigen Dingen wie Gummibänder in Unterhosen nähen weiß ich nicht, aber wenn sich ein echter General in Ruhe jetzt mit Dir duzt – sagt das doch alles.
Wenn Du als Sonnenschein durch die Bahnhofstraße läufst und bemängelst dass die „Leut rumlaufet wie wenn sie vom Keller rauf komme“ dann bist Du uns besonders sympathisch,Denn-wie sagst Du so schön?
„Des kann i ja gar net brauche wenn die Leut immer so grimmig sind.“

Bleib so wuselig, hilfsbereit und um keine Anekdote verlegen. Schaff viel aber nicht zu viel und bleib noch ein wenig hier bei uns.
Hiermit überreiche ich Dir den Dentlerpreis 2014, den Ehrenring mit goldenem Kreuz.
Wo ist denn Deine Schwester Eva abgeblieben, welche Dir immer treu zur Seite steht?
Sie hat einen dicken Dankesstrauß verdient.
Vor 125 Jahren wurde der Münsterturm vollendet. Damals haben viele zusammengeholfen, um diese Bürgerkirche innerhalb der Stadtmauern zu realisieren. Daran wollen wir erinnern mit einer Bürgerkette, die so lang ist, wie das Münster hoch.

Wir rufen euch alle noch mal auf: Bringt uns ein Stück Kette und seit Teil eines Miteinanders, wie damals bei dem Bau des Münsters. Bei einem großen Finale 2015 knüpfen wir all unsere Ketten aneinander und stellen sie im Ulmer Münster aus.
Unter mir hängen schon einige liebevoll gefertigte Teilstücke. Da hängt zum Beispiel ein Stück Ulmer Theater, ein Teil der Uni Ulm und eine grossartige Kette von der Friedrich von Bodelschwing Schule.

Eure Kette muss unbedingt mit dabei sein. Nehmt euch Flyer mit, fragt nach oder kommt zu einem unserer Kettentreffen.

Ich hoffe wir sehen uns!

Ich hab alles gesagt, wir sind am Ende.

Danke an Charlie Rehm, durch Ihn wird die Thronrede erst zu einem Kunstwerk! Vielen Dank an die Band Al jovo und Lea, die uns schon im letzten Jahr begeistert haben.

Und vielen Dank für euer kommen, ohne euch wäre gar nichts!

Ira Dentler

Musik: AL JOVO & LEA